Herbert Loseke
Gründer und Organisationsleiter der 1. bis 10.
ICF-Wertungsfahrt Nordenham - Berne - Bremen
Die Geburtsstunde
Im Jahr 1972 fand ein Treffen in Hamburg mit dem 1. Vorsitzenden des Kanu-Bezirks Hannover im Landes-Kanu-Verband Niedersachsen, Helmut Jarmer, dem Wanderwart des Hamburger Kanu-Verbandes, Hans-Eugen Klook, sowie den Bremern Herbert Loseke und Hans-Jürgen Garms vom Wassersportverein Warturm statt.
Der gemeinsame Wunsch war, in Norddeutschland drei große Kanu-Breitensportveranstaltungen mit entsprechender Wirkung in der Öffentlichkeit durchzuführen. Dies wurde danach in die Tat umgesetzt, und dies war auch die eigentliche Geburtsstunde der Bremer Tidenrallye.
In Bremen wurden wir vom damaligen Vorstand des Landes-Kanu-Verbandes Bremen unter dem Vorsitzenden Paul Doutine unterstützt, diese Großveranstaltung auf die Unterweser zu legen. Der Vorstand erkannte, dass der Kanu- Wandersport in Bremen neue Impulse brauchte. Ab 1973 hatten wir dann drei Kanusport-Großveranstaltungen im norddeutschen Raum:
- Auf der Oberweser die Weser-Marathon- Fahrt von Hann.-Münden bis Hameln über 135 Kilometer (wurde schon 1970 zum erstenmal gestartet).
- Organisierten wir unsere Bremer Tidenrallye auf der Unterweser von Nordenharn bis Bremen über 57,3 Kilometer.
- Führte der Hamburger Kanu- Verband die EIbe-Langstrecken-Rallye von Schnackenburg nach Niedermarschacht (gegenüber von Geesthacht) auf der Oberelbe über 109 Kilometer, dann ab 1974 gekürzt von Hitzacker nach Niedermarschacht über 59,4 Kilometer.
Nun kam es darauf an, die Arbeit für die Rallye aufzunehmen und in die richtigen Bahnen zu lenken. Wir waren uns darüber im Klaren, dass ein Kurs die Weser abwärts nicht in Frage kam, da uns mit dem Ebbestrom nur vier Stunden zur Verfügung standen. Also gingen unsere Überlegungen dahin, den Kurs die Weser aufwärts zu legen - mit der Flutströmung standen uns bis nach Bremen rund acht Stunden zur Verfügung.
Wo nun der Start - wo das Ziel?
Bremerhaven kam als Startpunkt nicht in Betracht. Es war viel zu riskant, mit einem großen Teilnehmerfeld hier die Weser zu queren, um auf die rechte Fahrwasserseite zu kommen. Von der Streckenlänge und von der Zeit her wäre es allerdings möglich gewesen, wie wir in Testfahrten persönlich festgestellt haben.
Jetzt kamen uns Freundschaften zu Mitgliedern des Wassersportvereins Nordenham zugute - besonders zum damaligen zweiten Vorsitzenden Ernst-August Tatje. Wir fanden bei diesem Verein den idealen Startpunkt für den gemeinsamen Massenstart. Der Wassersportverein Nordenham spielte bei dieser Rallye eine besondere Rolle, auf die ich hier noch näher eingehe.
In Bremen stellte uns der Bremer Ruderverein von 1882 sein Gelände als Gold-Ziel zur Verfügung, und in Berne bekamen wir Unterstützung durch den damaligen Gemeindedirektor Mahlstedt. Er sorgte dafür, dass wir den Campingplatz Juliusplate mit seinen sanitären Anlagen als Silber-Ziel benutzen konnten.
Der Name Bremer Tiden-Rallye ist gewählt worden, weil der Landes- Kanu- Verband Bremen als der Veranstalter galt und der Verband auch die Verantwortung und das finanzielle Risiko alleine trug.
Unterwegs in der Aussenweser, die scharze
Fahrwassertonne voraus (heute rot) liegt an der
Backbordseite der Fahrrinne
Wassersportverein Nordenham
Nun zum Wassersportverein Nordenham: Der Vorstand und die Mitglieder des Wassersportvereins Nordenham knieten sich mit Begeisterung als Gastgeber in diese auch für Nordenham bedeutende Großveranstaltung. Ohne die Mitarbeit dieses Vereins wäre das viertägige Programm in dieser Form nie möglich gewesen. Waren es bei der ersten Tidenrallye „nur“ rund 200 Leute, die am Bootshaus zelteten, so waren es bei der 10. Jubiläumsveranstaltung fast 2000 Personen, die rund um das Bootshaus übernachteten. Sie mussten alle bewirtet und betreut werden: eine gigantische Aufgabe. Dazu kam der große Begrüßungsabend in der Bootshalle für alle Teilnehmer und Begleiter, den wir gemeinsam gestalteten. Hier konnten wir viel Prominenz aus Nordenham, Bremen und dem Unterweserraum begrüßen.
Kanuten und Ruderer zusammen
Als wir die erste Bremer- Tiden- Rallye vorbereiteten, kam uns der Gedanke, auch die Ruderer einzuladen. Die Unterweser bot sich für eine gemeinsame Veranstaltung von Kanuten und Ruderern geradezu an, zumal das Gold-Ziel in Bremen beim Ruderverein von 1882 lag.
Durch intensive Werbung bei Vereinen und während anderer Veranstaltungen kamen wir gleich auf eine stattliche Zahl von 437 Teilnehmern, darunter 40 Ruderer.
Die Bremer Tidenrallye wurde im gesamten Bundesgebiet und im benachbarten Ausland sehr gut angenommen, war es doch die einzige Großveranstaltung auf einer Seeschifffahrtstraße. Sie gehörte zu den drei größten Breitenportveranstaltungen im Deutschen-Kanu- Verband, und in der Zusammensetzung für Kanuten und Ruderer war sie nicht vergleichbar.
Bei der 10. Bremer-Tidenrallye hatten wir die Rekordbeteiligung von 2.100 Teilnehmern, davon 600 Ruderer. Über 1200 Boote wurden in einem Massenstart auf die Reise geschickt.
Allein aus Bremen und Bremerhaven waren 500 Kanuten und 100 Ruderer aus 27 Vereinen am Start. Eine unglaubliche Zahl, ging damit doch unser Konzept auf, den Wandersport mit dieser Rallye zu aktivieren.
Große Beachtung in der Region
Sportsenator Dr. Hennig Scherf - heute Präsident des Senats und Bürgermeister - mit seinem norwegischen Austauschschüler Lars-Erik Nygaard (vorn im Boot)
Radio Bremen ließ es sich nicht nehmen, das 790. Hafenkonzert von der zehnten Bremer Tidenrallye aus zu übertragen. Das Fernsehen war zum fünften Mal dabei, derRundfunk berichtete über das Großereignis. Wie in den Jahren zuvor hatten wir eine hervorragende Presse vor und nach der Veranstaltung in Bremen, Nordenham und im weiteren Umkreis. Beim großen Begrüßungsabend waren dabei: unser jetziger Bürgermeister und Präsident des Bremer Senats, Dr. Henning Scherf (1982 als Senator für Jugend und Sport); Bürgermeister Ede und Stadtdirektor Knöppler aus Nordenham, die Bundestagsabgeordnete Margitta Terborg aus Nordenharm Landrat Borgmann aus Stollham, der Präsident des Deutschen Kanu-Verbandes, Ulrich Feldhoff, und viele mehr. Hieran ließ sich der Stellenwert der Bremer Tidenrallye erkennen.
Am Veranstaltungstag fuhr für die Ehrengäste die Senatsbarkasse von Nordenharn nach Bremen mit. Nur Dr. Henning Scherf zog es vor, die 57 Kilometer nach Bremen auf eigenem Kiel zu paddeln.
Mit der Teilnehmerzahl wuchs auch in all den Jahren die Zahl der Mitarbeiter, die Zahl der Begleitboote, und nicht zuletzt wuchsen die Kosten, obwohl alle Helfer einschließlich des Organisations- Teams voll ehrenamtlich, dass heißt ohne Tagesgeld, Fahrtkostenzuschüsse und Spesen, arbeiteten. Als Anerkennung erhielten aber alle Mitarbeiter eine Medaille aus Kupfer, nicht zu verwechseln mit der Gold- oder Silbermedaille für die Teilnehmer. Den Begleitbooten wurden nur die Benzinkosten erstattet, die Bootsleute erhielten aber auch unsere Helfermedaille.
Ohne Helfer geht es nicht
Waren es bei der ersten Bremer Tidenrallye fast ausschließlich Mitarbeiter aus meinem Verein, dem Wassersportverein Warturm, Bremen, und dem Wassersportverein Nordenham, so stellten sich bei der zehnten Jubiläumsveranstaltung 170 Mitarbeiter aus 22 Vereinen an Land und auf dem Wasser zur Verfügung. Allein 55 Begleitboote lagen zur Absicherung des Teilnehmerfeldes bereit. Hierbei ist auch ganz deutlich geworden, dass sich viele Wassersportler mit dieser Veranstaltung wirklich verbunden fühlten.
Dazu kam die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft -DLRG - aus Bremen, das Deutsche Rote Kreuz mit unserem Regatta-Arzt Dr. Adolf Meyer aus Delmenhorst, das Rote Kreuz aus Nordenham, und bei den Wattenfahrten half uns die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger mit ihren Rettungskreuzern. Als Dank erschien auf den Medaillen der zehnten Tidenrallye als Motiv ein Rettungskreuzer der Gesellschaft.
Betrugen die Kosten für die erste Veranstaltung 3500 Mark, so waren wir bei der zehnten bei 30.000 Mark angelangt. Seit 1976 wurden wir mit einer Ausfallbürgschaft des Landes Bremen abgesichert. Ohne diese Ausfallbürgschaft wäre die Rallye spätestens 1977 gestorben.
Insgesamt nahmen an den zehn Bremer Tidenrallyes von 1973 bis 1983 14.000 Kanuten und Ruderer teil. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 75.000 Mark. Von den 14.000 Teilnehmern begnügte sich die eine Hälfte mit einer Silbermedaille in Berne, während die andere Hälfte nach Bremen paddelte oder ruderte.
Für die Teilnehmer wurde in all den Jahren ein umfangreicher Rahmen für das Vier- Tage-Programm angeboten: Führungsfahrten ins Watt (Veranstalter: Kanu-Sport-Ring Nordwest und Wassersportverein Nordenham), ferner Kutterfahrten, Stadtführungen, Dia- und Filmabende sowie Wanderfahrten aus der Lüneburger-Heide zur Bremer-Tiden-Rallye.
Das Paddlerherz schlägt für die Medaille
Die Motive für die Medaillen wurden von der Rotenburger Grafikerin Helga Groll -selbst aktive Kanusportlerin- entworfen, sie sind urheberrechtlich geschützt. Es sind immer der See verbundene Motive, in der Gestaltung sind sie einmalig. Zur zehnten Bremer Tidenrallye konnten wir sogar die Rückseite mit den Wappen von Bremen, Nordenham und Berne prägen lassen. Auch bekamen alle Teilnehmer einen Aufkleber fürs Boot sowie einen Stempel fürs Fahrtenbuch mit den Motiven der Medaillen. Vereine mit fünfzehn und mehr Teilnehmern erhielten einen wertvollen Mannschaftspreis, den man jetzt noch in vielen Bootshäusern bewundern kann. Zur zehnten Veranstaltung gab es einen Superaufkleber mit den Motiven von der ersten bis zur zehnten Bremer Tidenrallye.
Aufgrund der einmaligen Medaillen haben wir wenig Probleme mit sogenannten "Schwarzfahrern" gehabt, die - ohne Startgeld zu bezahlen - die Rallye mitfuhren.
Service wurde Groß geschrieben
Damit die Teilnehmer ihre Autos zum Silber- und zum Gold-Ziel vorausfahren konnten, wurden Reisebusse zum Umsetzen (also zum Zurückholen der Fahrer zum Start der Rallye in Nordenham) eingesetzt. Von diesem Angebot machten in den zehn Jahren rund 1200 Teilnehmer Gebrauch. Für die Goldfahrer fuhr zusätzlich ein Gepäcktransporter von Nordenham nach Bremen. Somit konnten die in Nordenham zeltenden Teilnehmer mit fast leerem Boot nach Bremen paddeln oder rudern.
Die Wasserschutzpolizei Bremen hat in den zehn Jahren die Bremer Tidenrallye überwacht. Sie hat sie jedoch nicht nur überwacht, sondern auch geholfen, dass diese Großveranstaltung auf der Unterweser reibungslos ablief und dass alle Teilnehmer gesund die Heimreise antreten konnten.
Dies war auch der Wunsch des Organisations- Teams, und er ging auch in Erfüllung.
In den zehn Jahren unter meiner Leitung kam es zu keinem ernsthaften Unfall, bei dem Personen einen Schaden erlitten. Das war ein Verdienst aller, die an dieser größten Kanu- und Ruderveranstaltung auf einer Seeschifffahrtsstraße mitgewirkt hatten.
Wenn ich auch gerne die Namen von allen Mitarbeitern aufführen möchte, so nehme ich davon Abstand. Es sind einfach zu viele, und eine Wertung über die Mitarbeiter während der vielen Jahre, über die Tageshelfer und Bootsführer der Begleitboote möchte ich in diesem Bericht nicht abgeben, denn wertvoll waren sie für diese Großveranstaltung alle gemeinsam, wir konnten kaum auf jemanden verzichten.
Stellvertretend führe ich deshalb chronologisch die Vereine auf, aus denen die Mitarbeiter und Begleitboote kamen:
Folgende Vereine stellten Mitarbeiter:
Wassersportverein Warturm e.V. Bremen
Wassersportverein Nordenham e.V., Nordenham
Kanusportring Nordwest e. V.,
Bremen Bremer-Kanu-Wanderer e.V.; Bremen
Wassersportverein Frohe Fahrt e.V.,
Bremerhaven Kanu- Verein- Unterweser e. V., Bremerhaven
Verein für Kanu-Sport e.V., Bremen
Wassersportverein Gröpelingen e.V, Bremen
Faltbootwanderer Bremen e.V., Bremen
Turn- und Rasensportverein Bremen e.V., Bremen
WKK Wilhelmshaven e.V., Wilhelmshaven
Rotes Kreuz Delmenhorst, Delmenhorst
Rotes Kreuz Nordenham, Nordenham
Folgende Vereine stellten Begleitboote:
Wassersportverein Warturm e.V., Bremen
Wassersportverein Nordenham e.V., Nordenham
Waller Wassersportverein e.V., Bremen
Wassersportverein Gröpelingen e.V., Bremen
Segel-Club Blockland e.V., Bremen
DLRG Bremen, Bremen
Delmenhorster-Kanu-Club e.V., Bremen
Verein Wassersport Grohn e.V, Bremen
Bootsclub Marienbrücke e.V., Bremen
Bremer Motor Yachtclub e.V, Bremen
Wassersportclub Fink e.V., Bremen
Waltraut und Herbert Loseke
Der Artikel ist bisher veröffentlich worden in:
50 Jahre Lnades-Kanu-Verband Bremen 1950-2000 im Selbstverlag des Landes-Kanu-Verbandes Bremen herausgeben von Karl-Heinz Hofmann im März 2000, Seite 68 ff
75 Jahre Wassersportverein Warturm 1926-2001, im Selbstverlag des Wassersportvereins Warturm e. V., Bremen, Herausgeber Karl-Heinz Hofmann, Seite 168 ff