Logo 150Die Weser-Tidenrallye ist eine Großveranstaltung für Kanuten und Ruderer, die alle 2 Jahre stattfindet.
Der Veranstalter ist der Landes-Kanu-Verband Bremen

Die 31. Weser-Tidenrallye startet am 
11. Mai 2024 um 12:30 Uhr in Nordenham
Dieses ist das Wochenende nach Himmelfahrt.



 

Die 25. Weser-Tidenrallye im Faltbootzweier

Für Jacqueline aus Berlin die erste,
für mich die bisher ereignisreichste und schnellste!

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Bild1: Der Autor mit seiner Nummer eins im Faltboot

Jede Tidenrallye ist etwas Besonderes, aber diese war eine ganz Besondere. 

  • Es war die fünfundzwanzigste,
  • die erste mit einem Motto (»Sicherheit«) versehene,
  • die erste mit aktiver Beteiligung des DKV-Präsidenten (Thomas Konietzko),
  • die wohl bisher schnellste (wegen des kräftigen Windes aus Nordwest),und
  • sie fand bei strahlendem Sonnenschein im –Zitat– »kältesten Mai seit siebzig Jahren« statt.

Außerdem ist von erfreulich großer Beteiligung am Vorprogramm zu berichten, das mit gleich fünf Höhepunkten aufwartete:

  1. dem Fischessen in Brake,
  2. dem Besuch im Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven,
  3. der Ehrung von Brigitte und Werner Born als Teilnehmer an allen bisherigen (und hoffentlich noch vielen weiteren) Tidenrallyes
  4. der Vorstellung von Thomas Konietzko als neuem DKV-Präsidenten,
  5. der praktischen Umsetzung des Mottos »Sicherheit« durch einen Multimediavortrag der Wasserschutzpolizei Bremen sowie das laminierte Merkblatt zu Sichtzeichen, Schallsignalen und Lichterführung für alle TeilnehmerInnen.

Das war, wie ich finde, ein würdiger Rahmen für die zweite Jubiläums-Tidenrallye (die erste war die zehnte), und zugleich wohl auch eine Art Belohnung für das Team um Norbert Köhler mit den ungezählten Helfern und nicht zuletzt auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Was ist nun das Besondere an der Weser-Tidenrallye?

Diese Frage muss hier für all jene, die noch nie dabei waren und sich nicht trauen nachzufragen, gestellt und beantwortet werden. Es ist mindestens zweierlei, das sich nicht einmal bei sorgfältiger Lektüre der den Regeln entsprechend nüchtern formulierten Ausschreibung entnehmen lässt:

Erstens die deutlich spürbare spezielle Atmosphäre schon während der offenbar stets perfekt vorbereiteten, inzwischen schon am Montag der Himmelfahrtswoche bei TURA beginnenden Vorfahrten, und zweitens die buchstäblich bis zum letzten Augenblick bestehende Ungewissheit bezüglich der tatsächlich anzutreffenden Wetterbedingungen auf der 33 oder 44 Kilometer langen Strecke.

Es ist für all diejenigen, die schon an den Vorfahrten teilnehmen, eine mehrtägige Wanderfahrt auf Tidengewässern mit all ihren Herausforderungen an Kameradschaft und Können, und für jene, die sich auf die Teilnahme an der eigentlichen Rallye beschränken (müssen), ganz schlicht ein mehrstündiges, sehr intensiv zu erlebendes Abenteuer.

Kürzer: die Weser-Tidenrallye ist echter Kanu-Wandersport.

Und der ist, so Thomas Konietzko in seiner mit viel Beifall bedachten Ansprache am Freitagabend: „Das Herz und Blut des Kanusports.“

Zurück zur 25. Weser-Tidenrallye.

Von zweien der fünf Höhepunkte des Vorprogramms, das sich längst zum nicht isoliert zu betrachtenden Bestandteil der gesamten Veranstaltung entwickelt hat, möchte ich so kurz wie möglich berichten; die drei anderen werden ganz sicher auch ohne Nachfrage von Mund zu Ohr weitergegeben.

Zu Besuch im Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung.

Rainer Sieger, einer der früheren Organisatoren der Weser-Tidenrallye, und Horst Bornemann, ebenfalls Kanute, sind im Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven beschäftigt, und sie ermöglichten uns einen sehr informativen Einblick in die –auch politische– Funktion und Arbeit dieses Instituts.

Ins Detail zu gehen, würde den Rahmen dieses Berichts sprengen, aber so viel sei hier, in der Hoffnung, weiter gehendes Interesse zu wecken, mitgeteilt:

Die in Arktis und Antarktis genommenen Sedimentproben geben in schwer vorstellbaren zeitlichen Dimensionen Aufschluss über klimatische Langzeit-Entwicklungen mit deren weltweit wirksamen Auswirkungen, und die wissenschaftliche Beobachtung der dortigen höchst sensiblen und erstaunlich vielfältigen Ökosysteme lässt Rückschlüsse auf deutlich kurzfristigere Entwicklungen zu.

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Bild 2: Im Vorprogramm die Besichtigung des Alfred-Wegener- Instituts in Bremerhaven – hier Blick vom Dach

Als Zugabe genossen wir vom Dach des Instituts den Blick auf die Wesermündung mit den beiden künstlichen Inseln Langlütjen I und II, sowie den Museumshafen, das Klimahaus und den imposanten Hotelbau am Weserufer. All das machte, wie ich hörte, Viele neugierig. So manche( r) wird wohl noch einmal nach Bremerhaven kommen und dabei weitere Schätze entdecken; etwa das Auswandererhaus oder das Morgenstern-Museum.

»Sicherheit auf Seeschifffahrtsstraßen«

So lautete der Titel des gut präsentierten Multimedia-Vortrags der Wasserschutzpolizei Bremen, der durch das mit dem Startpaket überreichte Merkblatt zu Sichtzeichen, Schallsignale und Lichterführung ergänzt wurde. Die für uns wichtigen Bestimmungen der Seeschifffahrtsstraßenordnung wurden knapp vorgestellt, und dann bestimmten zwei Themen den weiteren Verlauf:

Zunächst ging es um Rettungswesten, deren Klassifizierung und Funktionsweise, sowie die eindrucksvoll wissenschaftlich belegte Verbesserung der Überlebenschancen bei (unfreiwilligem) Aufenthalt im Wasser, und dann wurde –für Viele neu, wie sich aus den Reaktionen schließen ließ– die durch die Einführung des „kleinen Waffenscheins“ veränderte Gesetzeslage im Hinblick auf die bei Kanuten gebräuchlichen pyrotechnischen Seenot-Signalmittel (Nico- oder Komet-Signalgeber) dargelegt und gleich im Anschluss eine praktikable Lösung ohne„kleinen Waffenschein“ vorgestellt:

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Bild 3: Maurice Myschker von der Dienstgruppe Sportschifffahrt demonstriert die Funktion einer Automatik-Rettungsweste am neu gewählten Präsidenten des Deutschen Kanu-Verbandes Thomas Konietzko

»Auf dem Wasser unterwegs bedarf die Zugriffs- und Einsatzbereitschaft des Signalmittels an Bord keiner behördlichen Genehmigung.

Beim Anlanden ist die Munition vom Abschussgerät zu trennen und dann

1.)          unabhängig voneinander und
2.)          gegen unbefugten Zugriff gesichert zu verwahren.«

Es geht zum Startplatz.

Am Samstagmorgen schien, wie erwähnt, die Sonne, aber der Wind, weiterhin aus Nordwest, hatte auch schon bald ausgeschlafen, was insgesamt „Paddeljackenkomforttemperatur“ ergab. Gleich nach dem von uns, Jacqueline und mir, im Klubhaus eingenommenen Frühstück begann geschäftiges Treiben beim WSV Nordenham: Zelte wurden abgebaut, Boote auf Bootswagen gehoben, beladen, dann fortgerollt zum Yachthafen Großensiel.

Wir hatten unseren TIAO bei der Ankunft am Donnerstag mit etwa einem Dutzend anderer Boote dort gelassen und karrten unsere komplette Ausrüstung nun komfortabel mit einem ausgeliehenen Handwagen zum Startplatz. Auf der Wiese am Hafen war es deutlich voller geworden; da lag jetzt Boot an Boot, und immer neue kamen hinzu. Aber noch lag der an diesem Tag uns Kanuten vorbehaltene, ansonsten den Jollenseglern zugeordnete Schwimmsteg auf Schlick. Das gab uns Zeit genug, alles bis auf die Decklast im Boot zu verstauen, dem Treiben um uns herum zuzusehen, Gesprächsfetzen in den verschiedensten Mundarten aufzuschnappen: –wie wird das Wetter?– und: –dreht der Wind womöglich noch?– , kurz: die Stimmung aufzunehmen, und ich nahm die Gelegenheit wahr, nach bekannten Gesichtern Ausschau zu halten.

Freudige Überraschung: Die „Eltern“ der Tidenrallye, Waltraud und Herbert Loseke, waren trotz anderweitiger Verpflichtungen zum Start gekommen und sahen zu, wie sich ihr nun erwachsen gewordenes „Kind“ allen Widrigkeiten zum Trotz in der Welt des Kanusports erfolgreich behauptete. Mitgebracht hatten sie Helma Rincksleben, die, wie sie sagte, es „bei einem Dutzend gefahrener Tidenrallyes belassen“, aber „das Paddeln insgesamt noch lange nicht aufgeben“ wollte. Warum ich das erwähne? Helma wird in wenigen Wochen 90 Jahre alt!

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Bild 4: Thomas Konietzko (Präsident DKV), Waltraud und Herbert Loseke (Gründungseltern der Tidenrallye), Norbert Köhler (Präsident LKV Bremen), Hans Francksen (Schirmherr und Bürgermeister Nordenham) am Start im Yachthafen Großensiel

Damit bin ich unversehens beim Alter der Teilnehmerinnen und Teilnehmer angekommen. Meiner Beobachtung nach ist die Mehrzahl der Kanuten inzwischen der Ansicht, der Kanu-Wandersport sei nur zwei Gruppen vorbehalten (um nicht zu schreiben: für sie reserviert): Familien mit (kleinen) Kindern und gereifteren Menschen.

Für den Familienausflug mit kleinen Kindern ist die Tidenrallye erkennbar nicht das Richtige, über die gereifteren Menschen bräuchte ich eigentlich auch kein Wort zu verlieren –die sind seit jeher immer wieder dabei–, wenn es der oder dem Einen oder Anderen nicht offenbar gelungen wäre, auch deutlich jüngere Menschen zur Teilnahme zu ermuntern. Und die muss man gesehen und erlebt haben, als sie am Goldziel ankamen! Was die alles vom unterwegs Erlebten zu erzählen hatten! Soviel ist sicher: Bereut, dabei gewesen zu sein, hat’s niemand. Da bin ich jetzt schon auf das Teilnehmerfeld bei der nächsten Tidenrallye gespannt.

Aber ich greife vor, denn noch lag unser Boot auf der Wiese, erst allmählich, dann immer schneller, wurden die Schlickbänke überspült. Wer konnte, war schon von den Schwimmstegen der anderen Vereine der Hafengemeinschaft zu Wasser gegangen, und so fuhren bereits einige Boote im Hafen herum. Dann war es auch für uns Zeit, das Boot herunter zu schaffen, die Decklast zu verzurren, einzusteigen, und den Platz am Steg zu räumen. Obwohl das etwas dauerte, gab’s kein Gemurre, sondern von allen Seiten aufrichtige Hilfsangebote. Ob wohl ein derart vollgepackter klassischer Faltboot-Zweier so etwas wie »Mitleid« weckt? –habe ich schmunzelnd gedacht, denn um uns herum wimmelte es geradezu von modernster Bootsbau- und Zubehörtechnologie, nach neuesten wissenschaftlichen Methoden gestalteten Rissen, High-Tech-Paddeln und ebenso schicker wie zweckmäßiger Kleidung.

Die „alten Hasen“ mit ihren seit Jahrzehnten bewährten Wanderbooten und lieb gewonnenen hölzernen Paddeln, die im übrigen bei weitem nicht so schwer sind wie man glauben möchte, ließen sich noch Zeit, die kamen wohl erst zum Schluss aufs Wasser. Wir waren aber nicht der einzige »Anachronismus«; ein hölzerner Canadier war wieder einmal mit am Start. Einziges Zugeständnis an die Moderne: das selbst gefertigte Bentshaftpaddel des Steuermanns. Ein ganz modernes Faltboot gab’s auch, einen schnittigen Einer. Der mutet nun ganz und gar nicht antiquiert an, sondern viel eher wie ein zukunftsweisendes Konzept, das jetzt schon den in Aussicht stehenden Veränderungen der individuellen Mobilität Rechnung trägt. Ein anderer Hinweis auf die Zukunft des Kanusports ist die Beteiligung des großen Outriggers.

Was war als erster Niederschlag des Mottos der Tidenrallye, »Sicherheit«, zu beobachten? Zunehmendes Bewusstsein bei der Auswahl der Kleidung: gut sichtbare Farben, viel Neopren. Bei Vielen die (lösbare!)Sicherungsleine am Paddel, bei etlichen das griffbereit auf dem Achterdeck fixierte Ersatzpaddel, bei einigen die mit einem Schlauch versehene Flüssigkeitsversorgung auf dem Vordeck, bei fast allen die bereits angelegte Rettungsweste. Von den Rennfahrern, die im Hafen eben diese nicht trugen, möchte ich mir vorstellen, dass sie damit bis zum letzten Augenblick gewartet haben, denn jedes Quäntchen Energie soll ja dem Paddeln zugute kommen und nicht schon vorher mit dem Tragen einer Rettungsweste vergeudet werden. Wieso eigentlich »möchte« ich mir das vorstellen? Weil die Rennfahrer so gut als Vorbilder taugen, denn, seien wir ehrlich, jeder von uns möchte irgendwann einmal „richtig schnell“ sein können – aber beileibe nicht immer.

Zum Wetterbericht. Der kam über Lautsprecher: „Wind aus Nordwest, Stärke 5 – 6. Das Boot der Wasserschutzpolizei hat auf dem Weg hierher zu kämpfen...“ Damit war das erst jetzt von mir bemerkte Singen des Windes in den über den geschützten Hafenbereich hinaus ragenden Wanten und Stagen der Segelschiffe hinreichend erklärt. Für den Sprecher und die erfahrenen Teilnehmer war sonnenklar, was das für uns hieß: Rückenwind mit Geschwindigkeiten um 40 km/h, zunächst rechtslastig, vom Elsflether Sand ab immer direkter von hinten. Es waren aber nicht nur Erfahrene gekommen, und einzelne, die wohl niemanden nach der Bedeutung dieser Ansage fragen mochten, zogen ihre Meldung zurück. Schade, sie haben was Schönes verpasst. Nach einer Weile Räuspern im Lautsprecher, dann die Begrüßung durch den LKV-Präsidenten, den DKV-Präsidenten und den Bürgermeister von Nordenam, gefolgt vom unüberhörbaren Startsignal.

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Bild 5: Start zur 25. Weser-Tidenrallye im Yachthafen Großensiel, im Vordergrund der Präsident des Deutschen Kanu-Verbandes mit seiner Gattin Katrin im Zweier, 2 von 350 Teilnehmern

Los geht’s!

Etwa 250 Boote kamen zugleich in Bewegung, und doch gab’s kein Gedrängel – toll! Einmal auf der Weser, zog sich das Feld in die Länge und, begünstigt durch den kräftigen Beinahe-Seitenwind, auch etwas in die Breite. Die ganz Schnellen verschwanden bald im Dunst über dem Horizont, die Neulinge versuchten, bis sie eine Pause brauchten, mit den schnellen Langstreckenfahrern Schritt zu halten, dann folgten jene Wanderfahrer, die immer so verteufelt flott unterwegs und am Tagesziel nie müde sind, und dann die, die miteinander plaudernd immer noch beachtlich gut vorankommen. Das Ende des Feldes habe ich nicht gesehen. Der Winddruck von der Seite war ganz erheblich, es spritzte ordentlich, ruckzuck war der Paddelschaft nass - ich hatte den Zeitpunkt für das Eincremen der Hände zu spät gewählt. Das Paddel glitschte, war nicht zu führen. Ärgerlich! Jacqueline ertrug meine wiederholt notwendigen Paddelschaft- und Handtrockenversuche geduldig, hielt das Boot auf Kurs und brachte uns sogar noch voran.

Wir, das hatte sich auf unserer Reise von Bremen nach Nordenham schnell herausgestellt, waren von Anfang an ein perfektes Team. Als dann das Paddel wieder sicher zu führen war, holten wir ohne besondere Anstrengung auf, ließen die plaudernden Grüppchen hinter uns. Wohl wissend, dass sie, wenn gewollt, uns leicht hätten überholen können. Sie wollten aber nicht, und wir hatten bereits erfahren, dass es für unser Boot je nach Bedingungen eine Idealkonstellation von Krafteinsatz und erzielter Geschwindigkeit gibt, und in genau der befanden wir uns – also alles bestens.

Schiffsverkehr war nicht zu erwarten, wir hatten Muße, die Ufer aus der Stromauf-Perspektive, und dazu noch erstmals bei Sonnenschein, zu betrachten. Das Paddeln ging „wie von selbst“, Brake schien mir im Handumdrehen erreicht. Die Silos am Ufer nahmen dem Wind die Kraft, das Wasser wurde ruhiger. Frachter am Kai warteten auf Ladung. Ein Kanute versicherte sich durch Klopfen an die hohl klingende Bordwand, dass das Schiff tatsächlich leer war. Er hat wohl dem nur noch geringen Tiefgang nicht glauben wollen.

Der erste Blick zur Uhr: kaum zu glauben! 12 (Zwölf!) km/h – da konnten wir uns mit Essen und Trinken abwechseln, während der jeweils andere gemächlich weiter paddelte. Aber was war in Brake geschehen? Wo sich sonst die begeistert winkenden und anfeuernd rufenden Zuschauer dicht an dicht gedrängt hatten, gab es an diesem Tag nur einige uninteressiert guckende Spaziergänger. Sollten die Bürger von Brake dieses vom Ufer aus doch sicher grandios anmutende Schauspiel verschlafen, oder sich etwa an den VorfahrtteilnehmerInnen schon satt gesehen haben?

Wir werden’s wohl nicht erfahren. Kurz darauf sahen wir die ersten zum Pausemachen auf die Strände fahren. Sind die schon schlapp?- habe ich mich gefragt. Wahrscheinlich waren sie nur zu schnell gefahren und sind das nächste Mal klüger. Es könnte, fiel mir dann ein, aber auch noch andere Gründe fürs Anlandgehen geben, solche, die keiner weiteren Erörterung bedürfen. Einen anderen jedoch, einen völlig überraschenden, habe ich beim Elsflether Sand zu sehen bekommen: ein kleiner Hund sprang aus der Spritzdecke hervor, tollte auf dem Strand, offenbar von Herzen froh, wieder einmal echten Boden unter den Pfoten zu fühlen. Und doch sei er, habe ich später erfahren, für die Weiterfahrt ganz freiwillig wieder an Bord gekommen.

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Bild 6: Das Silberziel nach 33 km beim Kanu-Club Rönnebeck erreichten 100 Teilnehmer

Nun waren wir mit dem Canadier auf gleicher Höhe. Ich fragte, ob ein Fernglas an Bord wäre. „Nein, wozu?“ „Dann könntet ihr mal nach dem Besenboot Ausschau halten, denn erstens sitzt ihr höher, und zweitens kann ich mich schlechter umdrehen.“ Gelächter, wir zogen vorbei. Wir waren jetzt, ohne merklich mehr Kraft aufzuwenden, sogar so schnell, dass wir eines der Begleitboote, kenntlich an der gelben Flagge, Zentimeter um Zentimeter überholten. Dabei spitzte ich ordentlich die Ohren, um genau zu hören, ob der Steuermann etwa die Drehzahl zurücknahm, um uns eine Freude zu machen. Nein, das Motorengeräusch blieb unverändert.

Schon war Farge erreicht. Die Fähre ließ uns passieren. Kurz danach lag ein Sicherungsboot im Strom und die erwartete Frage schallte zu uns herüber: „Zum Silberziel?“ „Nein, GOLD!“ riefen wir beide. Das wird wohl sehr stolz und voller Zuversicht geklungen haben, denn wir wurden mit einem fröhlichen „Weiter Gute Fahrt!“ verabschiedet. Inzwischen hatten wir vollen Rückenwind, und wenn es nicht ein wenig Kabbelwasser von den Spundwänden gegeben hätte, wäre mir der Begriff „Kaffeefahrt“ wohl in den Sinn gekommen. Zwei Schlepper kamen uns entgegen, machten aber, anders als gewöhnlich, kaum Wellen.

Vegesack voraus, die Lesummündung halblinks, beide Fähren am Ufer. Wie lange noch? Das weiß man nie so genau, wenn man nicht sehen kann, was auf den Decks passiert. Also haben wir erstmals richtig Druck auf die Paddelblätter gegeben. Erstaunlich, wie das Boot zuerst nur zögernd beschleunigt, dann aber einen Satz vorwärts zu machen scheint – und da waren wir auch schon vorbei, querten in die Lesum. Noch fünf Kilometer.

Wir sind so gut in der Zeit, dass wir fast ein wenig trödeln. Es ist aber auch schön hier; besonders die älteren Villen am linken Ufer laden zum Träumen ein. Da ist es nur ein kurzer Gedankensprung zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts, zum in Briefen erhalten gebliebenen Abenteuer einer ersten, das ganze Leben auf den Kopf stellenden Liebe, zu Marga und Percy – zu „Sommer in Lesmona“.

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Bild 7: 250 TeilnehmerInnen erreichten nach 44 km das Goldziel bei der Kanuabteilung von TURA Bremen an der Lesum.

Genug geträumt, wir fahren die 25. Weser-Tidenrallye, und wir wollen nicht zu den letzten gehören, die ankommen – wir nicht! Nach exakt 4 Stunden, 24 Minuten erreichten wir das Goldziel. 10 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit– wir sind ein tolles Team! Und das nächste Mal wollen wir wieder dabei sein.

Text: Peter-Josef Schünemann (JAN), Adolf-Reichwein-Str. 6, 28329 Bremen